Lerntherapie – was ist das?
Lerntherapie stützt sich auf Didaktik, Methodik und die Verknüpfung von Lernen und Psychologie. Einerseits wird im Bereich Mathematik und Deutsch mit dem Kind gearbeitet um den Anschluss an den Regelunterricht wieder herzustellen. Gleichzeitig wird versucht, die Ursachen für die Lernstörung zu entdecken und zu bearbeiten. Lernstörungen zeigen sich oft scheinbar als Unfähigkeit, den Lerngegenstand zu durchdringen oder als Unlust oder Faulheit. Werden sie so interpretiert, kann das zu weitreichenden Konsequenzen für das betroffene Kind führen. Unterstützungsangebote bestehen dann oft nur aus Angeboten, die am Lerngegenstand orientiert sind. Unbeachtet bleiben die Faktoren, die über den Lerngegenstand hinaus den Lernprozess verhindern. Sie liegen in gestörten Beziehungen und Lernstrukturen und in innerpsychischen Blockaden. Lerntherapie ist eine Interventionsmaßnahme, die Lernstörungen in ihrer Komplexität betrachtet: sie befasst sich mit den Lerninhalten (Schriftsprache, Lesen, Mathematik) und den Ursachen und Auswirkungen der Lernstörung auf die beteiligten Personen.
Lerntherapie – für wen?
Lesen, Schreiben und Rechnen gelten als absolute Basisvoraussetzungen für eine erfolgreiche Schulbildung, sowie zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Schule bietet für die allermeisten Kinder die richtigen und passenden Lernangebote, so dass das Erlernen dieser Kulturtechniken ohne große Schwierigkeiten geschehen kann. In jeder Klasse gibt es Kinder, die auf Grund ihrer Persönlichkeit, ihrer Lernausgangslage, einer Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche oder ihrer Lebensumstände keinen Zugang zum Lesen, Schreiben und / oder Mathematik finden. Diese Kinder sind in ihrer Lernentwicklung massiven Beeinträchtigungen unterlegen. Das Erleben von Wut, Angst, Scham und Kränkung auf Grund von Lernproblemen kann bei betroffenen Kindern zu ablehnendem, provozierendem, extrem zurückgezogenem oder schwer einzuschätzendem Verhalten führen. Demotivation, Frustration, der Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserfahrung als Folge des permanenten Misserfolgs vervollständigen die negative Lernstruktur. Kinder, die sich in diesem Teufelskreis einer Lernstörung befinden, sind in ihrer psychischen Gesundheit und sozialen Entwicklung beeinträchtigt. Diese negativen Lernerfahrungen entfalten auch innerhalb der Familie ihre Wirkung: Schule wird zum Reizthema und Lernen zum Kampfplatz. Eltern fühlen sich für den schulischen Erfolg ihrer Kinder verantwortlich. Verknüpft mit Demotivation des Kindes bis hin zur Lernverweigerung kann dies zu eskalierenden Machtkämpfen führen.
Lerntherapie – was sind die Ziele?
Hier setzt die Lerntherapie an: mit einer wertschätzenden, vertrauensvollen, zuversichtlichen und ressourcenorientierten Haltung, entsprechenden Interventionen und methodischem und fachdidaktischem Können will sie erreichen, dass Kinder und Jugendliche mit Lernstörungen sich selber wieder Lernen, Leistung und Erfolge zutrauen – und Eltern und Lehrpersonen ebenso.
Lerntherapie will Schüler entlasten, ermutigen und sie in eine positive Lernstruktur bringen. Der Schüler kann seine Fehlertoleranz entwickeln, Verunsicherung und Lernrückschläge aushalten und mit Kränkungen und Misserfolg umgehen. Zentrale Bedeutung dabei hat die Selbstwirksamkeitserfahrung des Schülers. Diese ist ebenso wichtig wie die Beherrschung der Kulturtechniken. Wenn sich der Schüler Lernerfolge zutraut, die Gewissheit besitzt, dass er über die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen verfügt, um bestimmte Schwierigkeiten zu meistern und den Mut hat, ergänzende Unterstützung einzufordern, kann sich die positive Lernstruktur entwickeln und wirken.
Deswegen ist das Ziel der Lerntherapie nicht nur das Schließen von Lernlücken, sondern ebenso das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeitserwartung des Schülers aufzubauen und zu stabilisieren, und somit die seelische Gesundheit wieder herzustellen. Dies geschieht in einer vertrauensvollen Beziehung zur Lerntherapeutin. Die Kinder verlassen die „Lernoase“ mit einem realistischen Selbstbild, einer stabilen Ich-Stärke, geschlossenen Lücken im Problemfach und den notwendigen Grundlagen, um in den Fachbereichen Deutsch und /oder Mathematik den Anschluss an den Regelunterricht wieder herzustellen.
Die Ziele und Inhalte der integrativen Lerntherapie werden für jedes Kind individuell festgelegt. Der Therapieplan basiert auf den Stärken, Fähigkeiten und Interessen des Kindes. Die angewandten Methoden und die lerntherapeutische Haltung stellen sicher, dass Freude am Lernen möglich ist und sich Lern- und Erfolgserlebnisse schnell einstellen.
Lerntherapie – wie geht das?
Lerntherapie integriert wissenschaftliche Erkenntnisse aus Pädagogik, Psychologie, Medizin und den Bereichen Deutsch und Mathematik. Durch die therapeutische Begleitung können die Kinder einen neuen Zugang zur Schriftsprache und Mathematik erfahren. Das Kind hat das Recht innerhalb der sozialen Systeme Familie und Schule zu wachsen und sich zu entfalten. Integrative Lerntherapie geht von einem systemischen Verständnis von Lernstörungen aus. Deswegen werden auch die umgebenden Systeme (Eltern, Schule, Sozialraum) in die Arbeit mit einbezogen. Die Beteiligten richten den Fokus wieder auf die Stärken und Ressourcen des Kindes, trauen ihm Lernerfolge zu – ermutigende Beziehungen sind wieder möglich.
Die Methoden der integrativen Lerntherapie sind spielerisch, ganzheitlich und handlungsorientiert, sie sollen Lerneffekt und Spaß verbinden und sind auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten. Die Haltung, von der die lerntherapeutische Arbeit getragen ist, ist grundsätzlich beziehungszentriert, fehlertolerant, lösungs- und ressourcenorientiert.